Freitag, 6. April 2007

Die Revanche

Die Revanche

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass ein Boxer, den sie den Gentleman nannten, seinen Abschied vom aktiven Sport nahm. Henry Maske hatte schon vor seiner zehnten Titelverteidigung im Vereinigungskampf der Boxverbände WBA und WBO verkündet, dass es sein letzter Fight sein werde. Der Kampf ging in die Hose, Hill gewann und wurde „vereinigter“ Weltmeister. Maske trat tränenreich ab.

Fortan trat er öffentlich nur noch selten in Erscheinung und wenn, dann auch nur als Experte oder Lebe- und Geschäftsmann.

Doch im grauen Herbst des Jahres 2006 kam auf einmal das Gerücht auf, Maske wolle wieder boxen. Im Laufe der Zeit, inzwischen hatte auch Kollege Axel Schulz sein Comeback angekündigt, wurde klar: Maske will es noch einmal wissen. Und zwar gegen seinen damaligen Gegner Virgil Hill. Dieser hatte während Maskes zehnjähriger Pause kontinuierlich weitergeboxt und war kurz zuvor erneut Weltmeister geworden. Dieses Ereignis schien in Maske den dringenden Wunsch nach einer Revanche zu erwecken und zu erhärten.

Heute nun war der Tag der Tage. Die Revanche.

Maskes Comeback wird begleitet vom Bühnencomeback der Sängerin Sarah Connor, welche nach ihrer Babypause nun auch wieder ihr Publikum erfreut. Der Einmarsch des Gentleman war beeindruckend. Ruhig, konzentriert und absolut auf seine Aufgabe fokussiert erschien der ehemalige Weltmeister am Ring.

Showman „Quicksilver“ Hill kam, als Indianer verkleidet, deutlich lockerer und augenscheinlich sehr von sich überzeugt.

Der Kampf begann, eine ungeheure Anspannung macht sich auch beim Zuschauer breit. Das Publikum in München jubelt seinem deutschen Helden zu. Die Kämpfer beginnen sehr verhalten, taktisch, Maske wird später von einem „Kopfkampf“ sprechen. Abwartend, vorsichtig die Distanz austastend kommt der Gentleman langsam in den Kampf. Sind die ersten Runden noch leicht von Hills Aktivität geprägt, so gewinnt Maske doch im Laufe der Zeit immer mehr an Sicherheit und beginnt, den Kampf zu diktieren.

In Runde acht krachen die kämpfenden Stiere mit ihren Köpfen gehörig aneinander, blutend geht Quicksilver Hill zu Boden. Der Ringrichter entscheidet auf einen unabsichtlichen Kopfstoß, Punktabzug für Maske um den Punktabzug für das zu Boden Gehen des Gegners auszugleichen. Das Publikum tobt. Und ein wütender Hill versucht, seinen Gegner auszuknocken. Allerdings für seine Verhältnisse viel zu zaghaft.

Maske hat alles im Griff. Er kontrolliert von nun an das Geschehen, schlägt dosiert aber sicher. Diesen Kampf kann er nur noch verlieren, sollte er aus Versehen in einen wilden Schwinger seines Gegners laufen.

Das passiert nicht.

Nach zwölf spannenden, nicht immer actiongeladenen Runden großen Boxsports endet der Fight. Henry Maske ist über die volle Distanz gegangen und hat, nach zehnjähriger Abstinenz, einen Klassefight abgeliefert. Taktisch auf höchstem Niveau, klug, überlegt und niemals in Gefahr.

Er lässt sich feiern, erscheint der sichere Sieger. Und, anders als bei seinem letzten letzten Kampf bestätigen die Punktrichter genau dies.

Henry Maske hat gewonnen. Die Revanche ist perfekt!

Wie ein zwölfjähriger hüpft der Mittvierziger durch den Ring. Selten, wenn überhaupt, wurde er so ausgelassen und locker gesehen.

Hill, wie ein trotziges Kind, fordert noch im Ring einen erneuten Rückkampf, Maske empfiehlt gleich darauf, er möge sich in zehn Jahren noch einmal melden.

Ohne erkennbare Schrammen und Wunden steht der Gentleman nach dem Kampf vor jeder Kamera und lacht. Er hat seinen Frieden gemacht mit dem Sport.

Kann eine Karriere ein schöneres Ende finden?

Januar 06 ...

Januar 06


In diesen Tagen geht er los; der Abriss des altehrwürdigen Mönchengladbacher Stadions, dem Gladbacher „Bökelberg“, geht nun wirklich in seine entscheidende Phase. Die Bagger sind angerückt, die Sprengung der Haupttribüne wird wohl in einem Monat vonstatten gehen.

Die Borussia ist schon seit der letzten Saison im neuen Schmuckkästchen im Borussiapark zuhause, und die Arena wurde von den Zuschauern angenommen, wie es sich kaum jemand hat träumen lassen. Die Saison läuft bisher recht gut und die Borussia steht auf einem gesicherten siebten Platz.
Da sollte doch eigentlich jeder Fan zufrieden sein. Die meisten sind es auch, doch ein paar Unverbesserliche trauern dem „guten alten Berg“ hinterher. Jenem alten Naturstadion, welches schon im Jahre 1919 eingeweiht und seitdem kontinuierlich auf- und ausgebaut wurde. Hier feierte die Borussia glanzvolle Siege und erlitt schreckliche Niederlagen. Teilweise wurde der Bökelberg sogar zu klein, sodass man umziehen musste und seine internationalen Spiele im Düsseldorfer Rheinstadion, welches auch nicht mehr existiert, austragen. Doch immer strahlte dieses Stadion einen unterschwelligen Glanz aus, eine mysteriöse Anziehungskraft ging von ihm aus. Nicht nur Borussenfans hielten es für ein ganz besonderes.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Das letzte Spiel auf dem altehrwürdigen Bökelberg fand im Frühjahr 2005 statt. Seitdem liegt die ehemals stolze Arena mehr oder weniger ungenützt da. Es fanden bis vor kurzem noch vereinzelt Führungen durch das „Allerheiligste“ statt, doch seit Anfang des Jahres ist auch dies passé. Das Stadion zerfällt, wird von der Natur, der es einst entrissen wurde, zurückerobert.

Es ist ein trauriger Moment, zu sehen, wie Moos über Treppen und Geländer wächst, wie der einstmals heilige Rasen zu einem Acker, von Maulwürfen und Löwenzahn durchsetzt, verkommt. Auch für denjenigen Fan, der sich inzwischen in der neuen Arena wohl und heimisch fühlt, sollte es ein Muss sein, noch einmal Abschied zu nehmen von einem großen Stadion.

Auch wenn es schmerzt die Stätte der frühesten Borussen-Stadion-Erfahrungen so „leiden“ zu sehen, ich war froh noch einmal zu sehen, wo ich so viel Spannendes, Aufregendes und Schreckliches gesehen habe. Ich habe den „Berg“ noch einmal besucht, ihn mir eingeprägt in seiner „fast“ Vollständigkeit und kann nun sagen:

Es ist schade, dass er stirbt; aber der Mythos wird weiterleben, er ist umgezogen …

Das Geschäft

Das Geschäft

Wir schreiben den 24. Spieltag der ersten Fußball Bundesliga.

Keine besonderen Vorkommnisse bisher, das Freitagsspiel, wie erwartet, unentschieden zu Ende gegangen. Und nun sitzt er da.
Ein langweiliges Spiel, nicht wirklich schlecht und dennoch nichts Bedeutendes passiert.
Die beiden Mannschaften aus dem Mittelfeld der Tabelle hatten sich quasi eingegraben in der eigenen Hälfte, jegliche Angriffsbemühungen eingestellt und somit auch in der Abwehr nahezu nichts zu tun gehabt.
Und was soll er nun schreiben?
Morgen früh will der Leser in großen Lettern lesen, was der verdammte Erzfeind sich erdreistet hatte zu tun.
Es ist manchmal durchaus praktisch, eine nationale Zeitung mit regionalen Einlagen zu würzen…aber eben nur manchmal
Doch was nun? Die erwartet Schlacht im Derby blieb aus, langweiliges Gekicke.

Da kommt ihm der rettende Gedanke:
„Das kann doch nur des Trainers Schuld sein! Wer eine Mannschaft so lieblos auf den Platz schickt, kann sein Herz nicht auf dem rechten Fleck tragen. Und erst recht kann er kein geeigneter Trainer in der derzeitigen Situation sein. Wenn schon der Kapitän keinen rote Karte bekommt, wo bleibt dann der Einsatz? Der Trainer erreicht die Mannschaft einfach nicht mehr. Geht es so weiter, ist der Abstieg beschlossene Sache.“
Haha, das ist doch mal ein Aufmacher. Was stört es ihn, dass am nächsten Tag alle Kollegen den Trainer bestürmen, um seine Stellungnahme zur aktuellen Krise zu erhaschen?

Zweifelsohne, diese Mannschaft gehört in eine Krise!

Wer sich herausnimmt einen solch großen Trainer zu verpflichten, vom UEFA-Cup zu sprechen und dann dennoch nur um den 8 Platz mitspielt, der hat definitiv ein Problem!

Der Tag geht, ein neuer Tag kommt.

Wunderbar! Die Kollegen sind aufgesprungen auf den Zug! „Der Trainer muss weck! Es kann doch nicht angehen, dass heute beim Training beide Stammstürmer nicht einmal das Tor getroffen haben! Und der neue Abwehrmann, habt ihr ihn gesehen? Der ist über seien eigenen Füße gestolpert, als er sein Handgeld aufheben wollte …“

Der Tag geht, ein neuer Tag kommt.

Man, der Alte hat schon wieder den gleichen Trainingsanzug an. Hat der nur den einen? Wird er vom Verein knapp gehalten, weil die ihn schon in Kürze nicht mehr brauchen? Heute hat er seinen Co auch nur mit 4, anstatt mit 7, freundlichen Worten begrüßt. Spannungen?

„Die Luft wird dünner, einen so arroganten Trainer kann man sich in der derzeitigen Situation nicht erlauben!“

Der Tag geht, ein neuer Tag kommt.

„Auf dem hinteren Trainingsplatz spricht der Kapitän lange mit dem Sportdirektor. Ist das schon der Abschied? Nachdem die Entlassung des Trainers schon beschlossene Sache zu sein scheint, wackelt auch der Stuhl des zweiten Mannes im Sportlerstaat.“

Englische Woche:

„Die Mannschaft wirkt verunsichert, keiner rennt mehr. Ein Spieler berichtet: „Wir wissen nicht mehr, wo wir eigentlich stehen. Die Kommunikation ist gestört.“
„Wir wolln Euch kämpfen sehen!“, schallt es vereinzelt aus der Kurve, wenn man denn unter dem Teppich von Pfiffen überhaupt noch etwas verstehen kann. Eine Leuchtrakete fliegt in Richtung Trainerbank, zufällig.“

Der Tag geht, ein neuer kommt.

„Geisterspiele“ ist das Stichwort. Die Brutalität nimmt auch in Deutschland immer mehr zu.

Ein Trainingsbeobachter: „Aber, wenn eine Mannschaft sich so präsentiert, braucht sie sich nicht wundern, wenn die Zuschauer pfeifen“.
Die besten Fans der Liga…

Der Tag geht, ein neuer kommt.

Der Spieltag ist vorbei. Schon wieder einen Platz verloren. 11ter.
„Wann gibt der Trainer endlich auf? Sportdirektor, go home. Was habt ihr eigentlich geleistet? Wenn wir unsere Arbeit so machen würden wie ihr, dann hätten wir keine!“

Der Tag geht, ein neuer kommt.

„Der UHU Trainer klebt an seinem Stuhl. Noch eine Niederlage und er wird gerupft! Die Geier lauern schon!“

Der Tag geht, ein neuer kommt.

Spieltag. Wird alles anders!

„ „Du bist die schwarze Perle mit langen Beinen, schieß uns zum Sieg!“ Trainer versagt schon
wieder. Taktischer Schwachsinn bedeutet den freien Fall auf den 13. Platz. Wann wird gehandelt?“

Der Tag geht, ein neuer kommt.

Sonntag, Pressekonferenz. Endlich was zu tun. Schon früh findet er sich im Pressebereich des Stadions ein. Er befragt sprachlose Spieler, empörte Fans und einen bestürzten Vorstand.

Der Trainer ist weg. Entlassen, zurückgetreten, was auch immer.

„Hauptsache weg“, denkt er,

„Eine gute Story! Hat funktioniert!“

Die Hinterbliebenen

Die Hinterbliebenen

„Der König ist tot, …“ nun ja, tot ist er nicht, aber er spielt nicht mehr mit.

Michael Schumacher hat nach jahrhunderte langer Dominanz seine Spielwiese verlassen. Werden die Fans auch weiterhin zusehen, wie lustige bunte Autos in wilden Kreisen durch die Landschaft fahren, sich beizeiten von der Straße kegeln, ab und an zum tanken anhalten? Wird es die Fans noch interessieren, wenn am Ende, gesetzt den Fall ein Fahrer war schneller als seine Kollegen, einen Teller, eine Tasse, eine Blumenvase oder irgendetwas anderes zum Geschenk gemacht bekommt? Was wird aus den Duschen, vornehmlich mit perlenden Getränken, entweder mit oder, in islamischen Staaten, eher ohne Alkohol?

All diesen Spaß lässt sich der siebenfache Weltmeister jetzt entgehen. Vielleicht hat er einfach genug Geschirr gesammelt, vielleicht will er lieber mit Wasser duschen. Man weiß es nicht und es soll auch an dieser Stelle nicht interessieren.

Wichtig ist einzig, dass das Spektakel wieder losgeht. Die neue Saison steht an. Am kommenden Wochenende werden die Boliden erneut gestartet. Australien ist der Austragungsort des ersten Formel 1 Rennens nach Michael Schumacher.

Was wird sich ändern?

An erster Stelle sind natürlich die neuen Regeln zu beachten. Motoren müssen länger halten, dürfen sich nur noch ca. viermal so schnell drehen wie die eines Serienfahrzeugs, alle Autos fahren mit Reifen aus Brückensteinen.

Doch was ändert sich sonst durch den Abgang des großen Helden?

Einige Fahrer werden sich freuen, Schumacher war beileibe nicht bei allen Kollegen beliebt. Man erinnere sich nur an die Duelle mit Damon Hill, David Coulthard, Jaques Villeneuve, Mika Häkkinen, oder bisweilen auch mit dem eigenen Bruder. Michael Schumacher war teilweise rücksichtslos, wenn es darum ging seine Ziele durchzusetzen. Doch wahrscheinlich allein durch dieses Durchsetzungsvermögen, gepaart mit seinem grandiosen fahrerischen Können, war eine Karriere wie die seinige überhaupt möglich.

Und ganz sicher hat er durch seine Erfolge auch den Weg geebnet für inzwischen 4 deutsche Fahrer in der Formel 1.

So werden auch sicher eine Menge Piloten traurig sein, dass seine aktive Laufbahn beendet ist. Der Chef vom Ganzen, Bernie Ecclestone, wird sicher auch betrübt sein, schließlich bricht ihm ein ganz wichtiges Zugpferd für seine Rennserie weg.

Am schlimmsten trifft es aber wohl die Millionen von Fans in und um Bergheim, in ganz Deutschland und wahrscheinlich auch auf der ganzen Welt. Sie verlieren ihr Idol, ihren Stern, teilweise hat man den Eindruck, ein Lebensinhalt geht verloren. Die Trauer war groß, als der „Schuminator“ sein Kariereende verkündete. Es liefen die Tränen in Strömen, viele waren schlichtweg geschockt. Doch, die Show muss weitergehen.

Es liegt nun am Rest der Rennbrüder die Serie am Leben zu erhalten oder sie erneut mit selbigem zu füllen.

Die Chance ist da. Schließlich haben sich in den letzten Jahren ernsthafte Konkurrenten für das „Denkmal“ Schumacher heraus kristallisiert. Man nehme nur den jüngsten Weltmeister aller Zeiten, Fernando Alonso, man denke an Kimi Raikkönen, der direkte Nachfolger im roten Renner, der „kleine“ Schumacher ist auch ein großer Publikumsmagnet, so wie die große Anzahl an jungen Talenten in mehr oder weniger konkurrenzfähigen Autos.

Die Formel 1 hat ihren König verloren, gleichwohl es wird ihr Schaden nicht sein.

Michael Schumachers Einstieg in die fahrerische Rente kann der versammelten Fahrerschaft sogar gut tun, schließlich können sich die Fans jetzt neu verteilen, neue Idole finden und diesen zujubeln.

Es wird ein Spaß werden, dessen bin ich mir sicher. Also, Ladies and Gentlemen, please start your engines…!

Eine Karriere mit Hindernissen

Eine Karriere mit Hindernissen

Wir schrieben die Tour de France 1996. Bjarne Rijs warf während des Zeitfahrens seine Maschine in hohem Bogen in den Straßengraben. Sein junger Teamkollege, Jan Ullrich sein Name, gewann, wurde Tour-Zweiter und startete seine atemberaubende Karriere. Er löste einen wahren Radsport Boom in Deutschland aus.
Ein Jahr später gewann er sogar als erster Deutscher überhaupt dieses schwerste Radrennen der Welt.
Ein neuer Stern am deutschen Sportlerhimmel war aufgegangen. Was folgte, war eine Karriere, wie man sie hätte nicht besser erfinden können. Sollte jemand einmal auf die Idee kommen, einen Roman in der Radfahrerszene zu verankern, er könnte sich an dieser Laufbahn orientieren.
Der steile Aufstieg, dann, im Zuge der ersten schwereren Verletzung, der Absturz. Ullrich parkte seinen Porsche in einem Fahrradständer, bemerkte den Fehler und machte sich von dannen. Dass dies nicht ganz den Verkehrsregeln entsprach, war ihm wohl entfallen. Nach einer durchzechten Disconacht, wurde ihm der Missbrauch von XTC-Pillen nachgewiesen. Ein Versehen, wie er immer wieder betonte.

Gut, ein junger Sportler kann durchaus einmal an die falschen Typen geraten, vor allem, wenn es ihm gerade richtig dreckig geht.
Doch aus diesem Tief zog er sich quasi an den eigenen Haarproben wieder heraus.
Ullrich schuftete für sein Comeback, musste noch das ein oder andere Problemchen sein zukünftiges Team angehend lösen und war bereit auf die große Bühne zurückzukehren.
Und wie er zurückkam. Inzwischen für das Bianchi Team fahrend, klebte er geradezu an den übermächtigen Hinterreifen des Tourminators Lance Armstrong. Er zeigte gar die Größe auf jenen zu warten, als der es vorzog durch eine schöne gelbe Tasche zu fahren und einen Purzelbaum zu schlagen. Am vorletzten Tag, beim üblichen Zeitfahren, hatte Ullrich sogar die Chance, Armstrong noch einzuholen. Doch, es war kein Ullrich-Wetter. Er liebte es zeit seiner Karriere heiß und sonnig, hier jedoch regnete es in Strömen. Den fallenden Bindfäden passte sich Ullrich an und durchquerte einen Kreisverkehr im Liegen, die Siegchance war dahin. Und dennoch war es am Ende ein Ergebnis, das wohl selbst Ullrich sich vor der Tour nicht zu erträumen gewagt hätte.
Den zweiten Platz in der Tasche wechselte Ullrich zurück zu seinem „Stamm-Team“, inzwischen T-mobile geheißen, um mit einer aufgerüsteten Mannschaft endlich einmal wieder die große Schleife als Sieger zu beenden. Wohlgemerkt, so lange der große Lance noch fuhr.
Es sollte nicht werden. Podiumsplätze schaffte er bei jedem Auftritt, der Sieg war ihm nur einmal vergönnt.
Dann der große Augenblick. Armstrong dankte nach seinem siebten Triumph ab, Ullrich wollte weiterfahren. Er wollte endlich, und sei es ein letztes Mal, die Tour gewinnen.
2006. Die Vorbereitung schien großartig gelaufen, Ullrich fit wie selten zuvor.
Doch es kam der böse 30. Juni 2006. Schon kurz zuvor waren schlimme Gerüchte über einen Dopingskandal, geleitet vom spanischen Arztes Fuentes, aufgekommen. Ullrich und dieverse andere Spitzenfahrer wurden des Betruges beschuldigt. An jenem 30. aber, dem Tag vor Beginn der Tour, wurde u.a. auch Jan Ullrich von seinem Team, in Absprache mit der Tourleitung aus dem Rennen genommen.
Für ihn brach eine Welt zusammen, er sei unschuldig ließ er immer wieder übermitteln, geschockt, er brauche Ruhe.
Der Skandal wurde größer und größer, Ullrich stiller und stiller. Eine DANN Probe wurde zunächst nicht abgegeben, stattdessen gegen die Ermittlungsmethoden der Spanier gewettert.
Es wurde still um Ullrich. Alle, die mit ihm angeklagt und suspendiert worden waren, waren inzwischen wieder aufs Rad und die Straße zurückgekehrt. Nur er musste weiter schmoren.
Dann kam der 26.2. 2007. Pressekonferenz. Ullrich wollte sich äußern.
Er tat es. Er bleibe dem Radsport erhalten, verhaltener Applaus, nur nicht als aktiver Fahrer. Das hat gesessen. Die Karriere ist vorbei. Kurz und bündig.
Er hat dem Druck nicht mehr standgehalten. Er hatte keine Lust mehr, sich der erneuten Qual einer ganzen Saison hinzugeben. Oder, er hatte keine Lust, sich weiter mit den Dopingvorwürfen auseinanderzusetzen.
Natürlich wird die Geschichte bleiben. Natürlich scheint da so einiges im Argen zu sein.
Und dennoch, hat es nicht ein Sportler, der so viel für den deutschen Radsport getan hat, verdient, eine faire Chance zur Erklärung dieser Geschichte zu bekommen?
Hat er gedopt ist er zu bestrafen, meinetwegen auch mit Missachtung. Doch, kommt heraus, dass er nichts Unerlaubtes getan hat, sollte sich so manch einer beim ehemaligen Helden entschuldigen.
Wir werden (hoffentlich) irgendwann erfahren, was dran war am Fall Ullrich, der eine erfolgreiche und doch steinige Karriere beendete.

Feuer und Flamme

Feuer und Flamme

Die Seele brennt – aber wie lange noch?
So langsam werde ich gleichgültig. Es wundert mich schon lange nicht mehr, dass mein Verein, die einzig wahre Borussia, Woche für Woche die Punkte abgibt, teilweise sogar ohne großartige Gegenwehr. Der Schmerz ist noch da, dennoch ist die Gewöhnung wie eine dicke Schicht aus Hornhaut. Man stumpft ab. Die Nadeln treffen, allein, sie stechen nicht wirklich.
Es ist immer dasselbe: ich stehe entweder im Stadion und schaue mir den Blödsinn live an, sitze vor der Arena Übertragung, oder, wie viel zu oft, ich versuche auf der Arbeit via Videotext oder SMS-Ticker einen Überblick zu erhalten.
Eigentlich ist das Ergebnis immer gleich. Wir liegen zurück, wir versuchen fünf bis elf Minuten zu kämpfen, wir, naja, natürlich nicht wir, sondern die Spieler, stellen die Arbeit wieder ein und spätesten um 17 Uhr 25 steht eine erneute Niederlage fest.
Aufgrund der Regelmäßigkeit nehme ich das Ergebnis zur Kenntnis und gehe zur Tagesordnung über.
Natürlich wird, aus angeborenen Masochismus oder Ähnlichem, die Zusammenfassung in der Sportschau oder dem Sportstudio betrachtet, doch der wirkliche Schmerz bleibt zeitweise aus.
Ist das ein schlechtes Zeichen?
Gute Frage.
Spätestens am kommenden Montag begebe ich mich wieder, mit der ein oder anderen Borussia - Devotionalie bekleidet, in die Öffentlichkeit. Verwunderlich eigentlich, ernte ich doch weitestgehend Spott und Häme.
Aber irgendwie ist es die brennende Seele, die mich immer wieder die Bekenntnis zu meinem Verein veröffentlichen lässt. Die Spieler können es nicht sein, die machen ihren eigenen Blödsinn auf dem Platz und haben mit der Seele des Fans scheinbar nichts, aber auch gar nichts, am Hut. Wer auch immer ihr Gehalt bei Ausbleiben der Fans bezahlt, scheint ihnen vollkommen egal zu sein.
Es ist ein Trauerspiel.
Und dennoch zeigt genau diese endlose Leidensfähigkeit, dieses niemals Abwenden, dass die Seele brennt. Sie lodert. Die Flamme wird niemals erlöschen, ich stehe zur Borussia, immer, überall!

Bin ich blöd? :crazy:

Abstiegskampf

Abstiegskampf

Wie weit muss die Liebe zum Fußball gehen?

Vor kurzem strahlte der Sender RTL II die „erste Fußball-Soap für Frauen“ aus.
16 Antisportler, welche ihren Lebtag noch nie gegen einen Ball getreten hatten, sollten innerhalb von zehn Wochen von einem Kompetenzteam, dem
ein gewisser Herr Matthäus vorstände, zu gestandenen Fußballern gemacht werden.

Über jenen Herrn Matthäus schreibt denn auch die Website der Bananenborussen:
„Nur ganz wenige andere Fußballspieler weltweit können auf eine ähnlich brilliante Karriere verweisen wie Lothar Matthäus.

Mit dem FC Bayern München wurde er dreimal Deutscher Meister, um schließlich die Deutsche Nationalmannschaft als Kapitän zur Weltmeisterschaft zu führen. Seit dem Ende seiner Profikarriere im Jahr 2000 ist er ein international erfolgreicher Trainer.“

So weit so gut, doch was reitet ihn, sich inzwischen bei jedem freiwerdenden Job in der Bundesliga oder im erweiterten
Bereich des DFB zu bewerben, unterschwellig ins Gespräch zu bringen, oder gar vollkommen plump aufzudrängen? Geltungssucht? Die Erinnerung an „alte Zeiten“? Oder einfach nur die innerste Überzeugung, dass er der (einzig) Richtige für diesen, jeden Job sei?!

Bekommen hat er diese Stellen nur sehr selten. Manchmal verdarben ihm sogar die Fans (wie unlängst beim 1. FC Nürnberg) ein Engagement. Und dennoch steht da dieser Mann mit seinem unglaublichen Selbstbewusstsein, einer äußerlichen Gelassenheit, als hätte man ihm gerade einen unkündbaren Vertrag bei der Selecao angeboten.

Jener Lothar Matthäus also erklärte sich im Sommer bereit, neben seiner anscheinend nicht tagesfüllenden Aufgabe als ungarischer Nationaltrainer, eine Mannschaft aus diesen Bananen zu formen, sie zu echten Fußballern zu machen.

Nicht, dass dieses Unterfangen nicht schon mit gemäßigten Hobbyfußballern zur Tortur geworden wäre, doch in dieser Sendung sollte dem Zuschauer offensichtlich gezeigt werden, dass ein Trainer wie Matthäus. . . Wir sollten sehen. Jeder Spieler könne, in Kombination mit seinem ebenfalls grandios gewachsenen Team am Ende der Staffel in einem „echten“ Fußballspiel gegen den glorreichen FC St. Pauli bestehen und dies, ohne sich oder jemand anderem das Genick zu brechen.

Nun, dem war nicht so. Zwar gab es tatsächlich nur sehr wenige Kreuzbandrisse und nahezu keine Genickbrüche, doch war der tatsächliche sportliche Erfolg recht beschränkt. Immerhin gelang es Matthäus' Team, zwei Tore in Hamburg zu erzielen. Das Spiel ging dennoch verloren.

Bleibt die Frage: Wer braucht so etwas?

Zugegeben: Auch ich habe mir die ersten Schritte der Fußballkinder genüsslich und nicht ohne eine Portion Schadenfreude
angesehen. Sie waren einfach zu süß, wie sie über das Feld tapsten, als läge der Zeitpunkt ihrer Geburt nur um wenige Minuten hinter dem der ersten Drehgenehmigung. Auch fand ich es grandios, wie man nach nur einem Tag Training mit dem ungarischen Nationaltrainer immerhin gegen eine gestandene Damenmannschaft zu einer Torchance kommen kann und dabei nur fünf Gegentore Spiel zuzulassen.

Die Bananen trainierten mit ausgewachsenen Sportgrößen aus allen Bereichen, traten gegen bärenstarke Footballer an und lernten, sich gewitzt und mehr oder minder erfolgreich („Bei uns steht der Vordergrund im Spaß“ Christian, 22, Koch) in der Medienwelt zu produzieren, wie es sich für einen echten „Star“ gehört. Es wurde gar, ganz wie es sich für herausstechende Mannschaften zu Weltmeisterschaften gehört, eine CD eingespielt, auf der auch Trainer Matthäus seine gewaltige Stimme sprechen ließ - ähnlich erfolgreich, wie zu seinen Spielerzeiten. . .

Durch den neu gewonnenen Ruhm durften die „Bananas“ auf Promi-Partys, erlebten, wie es ist wenn man
„Fans“ hat, knüpften zarte Bande zu dem zerbrechlichen Geschlecht und mussten lernen: Wer feiern kann, kann auch arbeiten; will heißen: Nach durchzechter Nacht trainiert es sich nicht immer mit Freude.

Aber die große Frage steht noch im Raum: Hat dies, und wenn ja, was, mit dem Sport zu tun, den wir alle unter dem Begriff Fußball kennen. Ein jeder Trainer vor dem Bildschirm schüttelt den Kopf. Jedweder, auch mit noch so viel überflüssigen Kilos ausgestattete Aushilfskicker glaubt, er könne jeden einzelnen dieser Spieler auf Friedrich Merzens Bierdeckel austanzen.

Es ist doch kein Fußball, wenn sich Menschen nahezu jeden bewegungsfähigen Alters zusammenrotten um sich so offensichtlich lächerlich zu machen. Es geht hierbei noch nicht einmal darum, dass die armen Hirnakrobaten und Couchsportler etwa für ihr „Nichtkönnen“ verteufelt werden sollen. Es ist einfach so, dass man sich fragen muss: Wer oder was kann aus einem Marcello Pletsch, trotz gleicher Fußpräferenz, einen Roberto Carlos machen? Wer macht aus einem Carsten Jancker einen Ronaldo?
Lothar Matthäus?
Gott?

Unser Lothar schien es sich zuzutrauen und genau das ist es, was ihn letztlich auszeichnet: Lothar traut sich alles zu! Er übernimmt Vereinsmannschaften, schließt sich daraufhin einem nationalen Verband an, um diesen zu einem internationalen Turnier zu führen, gleichzeitig trainiert er eine Mannschaft von Bewegungslegasthenikern, nur, um sich wenige Wochen später vollkommen davon zu distanzieren, dass er eine bestimmte Bundesligamannschaft trainieren möchte; oder eben auch nicht.

Es ist typisch für Matthäus, dass er sich eben in keine Schublade drängen lässt, er hält sich jedwede Option offen. Man mag ihn mögen oder auch nicht, aber man kann ihm sicher nicht vorwerfen, dass er feige wäre. Dieser Mann hat schon immer genau das gemacht, was er für das Beste hielt. Ihn kümmerte wenig, ob das "Dem deutschen Volke" gefiel. Matthäus macht, was ihm gefällt. Natürlich legt er sich dabei mit diversen Offiziellen, ehemaligen Spielerkollegen, Bundestrainern oder wem auch immer an. Es interessiert ihn nicht. Ecken und Kanten, selbstdarstellerisch geordnet zu einem "Kunstwerk" namens
Lothar Matthäus. Ein deutscher Fußballstar. Wisster bescheid. . .

Sebastian Derix, www.fussballperspektiven.de